Themen des 3. BIMiD-Fachsymposiums
Daneben berichteten weitere BIMiD-Projektpartner und -Praxispartner über den aktuellen Stand bei den beiden BIM-Referenzobjekten in Braunschweig und Ingolstadt. Referenten aus anderen Branchen sorgten dafür, dass auch der Blick über den Tellerrand nicht zu kurz kam. Außerdem gab es wie immer bei den BIMiD-Fachsymposien ausreichend Raum für Diskussion und Erfahrungsaustausch mit dem Publikum - nicht zuletzt auch, damit jeder Tagungsteilnehmer die unterschiedlichen VR-Techniken in der "Cave", auf 3D-Bildschirmen und mit Oculus-Rift-Brillen ausprobieren konnte.
Die Veranstaltung war schon Wochen lang im Voraus ausgebucht. Im Auditorium mit seinen 80 Sitzplätzen gab es dank der vielen Nachrücker von der Warteliste auch trotz des kurzfristig anberaumten Bahnstreiks kaum leere Stühle.
Grußwort
In seinem Grußwort erinnerte Sebastian Stratbücker vom BIMiD-Konsortialführer Fraunhofer-Institut für Bauphysik an die großen Projektfortschritte seit dem BIMiD-Auftaktsymposium im Mai vergangenen Jahres. Es sei bemerkenswert, dass bereits ein Jahr später das erste Referenzobjekt in der CAVE virtuell begehbar ist.
Moderation
Peter Noisten, ebenfalls vom Fraunhofer IBP und Moderator der Veranstaltung, erläuterte das Programm und betonte, wie dankbar die BIMiD-Projektpartner den Praxispartnern von den beiden BIM-Referenzobjekten seien, dass so viele von ihnen an der Veranstaltung teilnehmen.
Beiträge
Virtuelle Techniken im Bauwesen am Beispiel des zentralen BIM-Referenzobjekts in Braunschweig
Als Einstieg in das Fachsymposium erläuterte Günter Wenzel (IAO) die Grundlagen der virtuellen Architektursimulation und demonstrierte, wie er aus aktuellen Datenmodellen vom zentralen BIMiD-Referenzbauvorhaben in Braunschweig „Immersive Gebäudeprototypen“ erstellte. Diese dienten bereits am Vortag dem Bauherrn und den Planern des Büroneubaus der Volkswagen Financial Services AG in Braunschweig für eine virtuelle Baubegehung im „Immersive Engineering Lab“ des Fraunhofer IAO. Bei diesem „Labor“ handelt es sich um ein mehrseitiges, großflächiges Stereoprojektionssystem zur interaktiven, räumlich-maßstäblichen Visualisierung von Gebäuden. Davon, dass die Visualisierung fast so realistisch zu erleben ist als wäre das Bauvorhaben bereits realisiert, konnten sich auch die Tagungsteilnehmer überzeugen. Das Labor war den ganzen Tag über in Betrieb und keiner ließ es sich nehmen, die neuen Arbeitsräume in Braunschweig bereits vor dem Ersten Spatenstich virtuell zu besichtigen.
Beim Thema Workflow und Datenaufbereitung für die Visualisierung wurde auch deutlich, dass es sich bei BIMiD in erster Linie um ein Praxismodellprojekt und nicht nur um ein akademisches Forschungsvorhaben handelt. Die BIMiD-Projektpartner müssen daher ganz pragmatisch auf Praxisanforderungen Rücksicht nehmen. Beispielsweise arbeiten Planer und Bauherr phasenweise mit zwei unterschiedlichen Gebäudedatenmodellen auf Grundlage unterschiedlicher Softwareprodukte. Dies ist nicht zuletzt den besonderen Wünschen des Bauherrn geschuldet, der bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Austauschbarkeit des entstehenden BIM-Modells mit der eigenen Facility-Management-Software testen möchte. Dieses Vorgehen ist vielleicht ungewöhnlich, entspricht aber durchaus der Idee von "Open-BIM".
Für die Tagungsteilnehmer war dies sogar von Vorteil: Sie konnten in der VR-Cave abwechselnd die eher technischen Fachmodelle (Tragwerk und TGA) und das optisch anmutigere Architekturmodell „begehen“. Und auch für die BIMiD-Projektpartner bedeutet dies eine wichtige Erkenntnis: Im Zweifelsfall entscheidet der Bauherr mit seinen Anforderungen zu welchem Zweck und mit welcher Software welche Gebäudedatenmodelle modelliert werden.
Auto AR - Visualisierung von Bauvorhaben vor Ort
Konkrete Anwendung findet diese Technik beim sogenannten „Auto AR“-Demonstrator. Dabei handelt es sich um eine mobile Hard- und Software-Lösung, die in wenigen Minuten auf jedes Auto montiert werden kann und dieses dann hochpräzise lokalisiert. Die von einer 360° Panoramakamera aufgenommene Umgebung wird in Echtzeit auf eine VR-Brille übertragen, die vom Benutzer als Beifahrer getragen wird. Während das Auto zu jeder gewünschten Position im Baugebiet fährt, erfasst die Brille mittels integrierter Lagesensoren die Blickrichtung des Benutzers, welcher eine zentimetergenaue Überlagerung des virtuellen Gebäudemodells über die echte Umgebung präsentiert bekommt.
Mit dieser Technik wurde das geplante Gebäudedatenmodell vom Büroneubau der Volkswagen Financial Services AG auf das vorgesehene Baugrundstück in Braunschweig eingeblendet. Das Ergebnis war den ganzen Tag über am Infostand des Fraunhofer FIT in einem Film zu sehen. Außerdem konnte der Demonstrator mit einer Brille vom Typ "Oculus Rift DK2" getestet werden.
Erfahrungen des Bauherrn mit BIM beim zentralen BIM-Referenzobjekt der Volkswagen Financial Services AG
Ganz begeistert äußerten sich die beiden über die virtuelle Baubesprechung am Vortag im Immersive Engineering Lab. Noch nie hatten die beiden Baufachleute eine ähnlich effiziente, hochkonzentrierte Baubesprechung mit so vielen geklärten Fragen erlebt. Unter anderem wurden das TGA-Modell und das Tragwerksmodell auf Kollisionen geprüft und wurden im Architekturmodell erste Entscheidungen über die Gestaltung der Arbeitswelten in den zentralen, multifunktionalen Flurbereichen getroffen. Dies war war bis zum einzelnen Schreibtisch mit Bildschirm und Computertastatur möglich.
Diskussionsrunde: Erfahrungen der Architekten und Fachplaner bei den beiden BIM-Referenzobjekten
Tamara Gasteiger (DhochN GmbH, BIM-Koordinator beim BIM-Referenzobjekt Braunschweig) bestätigte die gute Kommunikation mit den Architekten bei ihrer Arbeit beim Modellieren des Tragwerks- und TGA-Modells. Sie relativierte auch den Eindruck der anfangs entstanden war: Es sei überhaupt nicht ungewöhnlich, bei besonderen, kurzfristigen Anforderungen des Bauherrn mit verschiedenen Modellen von unterschiedlichen Softwareprodukten zu arbeiten.
Franz Madl (pbb Planung + Projektsteuerung GmbH, Generalplanung beim BIM-Referenzobjekt Ingolstadt) teilt auch die häufig vertretene Ansicht, dass BIM eine zusätzliche Leistungsphase ("LP 0") erfordere. Zusätzlich gäbe es auch eine Überschneidung und Verschiebung der bewährten Leistungsphasen nach HOAI. Er selbst bestätigt auch den eigenen Ärger über die mangelnde Kompatibilität der verschiedenen Softwareprodukte. Er hofft, dass zukünftig von den großen Planungsunternehmen und der Bauindustrie noch mehr Druck auf auf die Softwarehersteller ausgeht, damit die Standardisierung der Schnittstellen vorangkommt. Sein Fazit klang dennoch ermutigend: "Auch wenn ich kritisch klinge: Ich glaube voll d'ran!"
3D-Plot vom zentralen BIM-Referenzobjekt - Technik und Verfahren
Er erläuterte detailliert die unterschiedliche Modelle, Spezifikationen und Funktionsweisen und konnte am Beispiel unterschiedlicher 3D-Plots, u. a. auch vom BIM-Referenzobjekt der VWFS in Braunschweig, die Anforderungen an das Datenmodell sowie den Arbeitsaufwand für Vor- und Nachbereitung, die eigentliche Druckzeit und sowie die Kosten für Material und Plotvorgang darstellen. Dabei wurde deutlich, dass auch ein 3D-Plot mit zum Teil nicht unerheblichem Aufwand für Datenmanagement sowie Vor- und Nachbereitung des Druckvorgangs und nicht zuletzt mit nicht unerheblichen Kosten für das Druckmaterial verbunden ist.
Von PLM zu BIM - Product-Lifecycle-Management im Maschinenbau
Die Parallelen zu BIM-Prozessen liegen auf der Hand: Beide Prozesse unterteilen sich in vergleichbare Phasen: Planung - Ausführung - Nutzen/Betrieb/Service. Aber auch die Unterschiede wurden deutlich. Beim Planen und Bauen mit BIM spielt die intensive Planungsphase mit vielen Beteiligten aus unterschiedlichen Organisationen eine große Rolle, was die Digitalisierung und das Arbeiten auf einer Plattform aufgrund unterschiedlicher Datenstandards und BIM-Systeme eher schwierig macht. Dagegen wird der PLM-Prozess bis zur „Nutzung“ meist in einem Unternehmen (ggf. unter Beteiligung von Zulieferern und Partnern) angewendet, was die Arbeit auf einer IT-Plattform enorm erleichtert. Fazit: Bei BIM ist die Durchgängigkeit (noch) nicht gegeben – wenigstens ein durchgängiges Planungs- und Ausführungskonsortium wäre wünschenswert. Dem steht beim Bauen aber bislang die bei jedem neuen Projekt erforderliche „Ausschreibung“ von Leistungen entgegen, was zwangsläufig zu einem Bruch zwischen der Planung und der Ausführung führt.
Lean Construction: Das schlanke Bausystem
Um das Gegenargument zu entkräften, beim Bauen handele es sich nicht um Serienproduktion wie in der Automobilindustrie, nannte er als Beispiel die Werftindustrie, deren Produkte, beispielsweise Kreuzfahrtschiffe, genauso "einmalige Prototypen" seien, wie dies Architekten und Bauherrn für sich beanspruchten. Dabei betreibe gerade diese Branche die Standardisierung zur Perfektion.
Durch die Adaption der "Lean"- Prinzipien leitet sich „Lean Management“ ab - eine Philosophie, die branchenübergreifend anwendbar ist und sich nicht nur auf einzelne Projekte oder einzelne Projektbeteiligte bezieht. Ihre Anwendung auf "Lean Construction" sei nur folgerichtig. die Umsetzung erfolgt durch die Anwendung von vier Prinzipien, die er mit dem Bild der "Fischgräte" visualisierte und die die Just-in-Time-Produktion in vielen Branchen ausmachen:
- „Fließ-Prinzip“ Produkte getaktet im Fluss produzieren - verlangt kontinuierliche Wertschöpfung aus Sicht des Produkts und des Mitarbeiters
- "Takt-Prinzip" Rhythmus durch Harmonisierung der Arbeitsinhalte - verlangt die Produktion im Kundentakt und die Nivellierung der verfügbaren Ressourcen
- „Zieh-Prinzip“ Verbrauchsorientiert nachliefern - verlangt nur das zu produzieren, was vom Nachfolgeprozess bzw. dem Kunden gefordert ist
- „Null-Fehler-Prinzip“ Keine Fehler produzieren, keine Fehler annehmen und auch keine Fehler weitergeben.
Auf Bauprozesse übertragen ist dies vor allem für die Baulogistik (Materialfluss und den entsprechenden
Informationsfluss) relevant. Besonderes Augenmerk gilt den Lieferanten, die möglichst früh in die "Lean-Construction"-Prozesse eingebunden und ggf. darin auch angeleitet und kontinuierlich weiterentwickelt werden müssen. Auch in der Baubranche müsse ein professionelles Lieferantenmanagement das Ziel sein.
Definition eines idealtypischen BIM-Referenzprozesses
Die Ergebnisse werden derzeit abschließend mit dem AHO ("Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V.") abgestimmt und werden vermutlich bis zum Sommer veröffentlicht. Im weiteren Verlauf von BIMiD wird es darum gehen, diesen idealtypischen Prozess mit den beobachteten Prozessen bei den Referenzobjekten zu vergleichen und - wo möglich - die dortigen Praxispartner bei deren Prozessen zu unterstützen.
B.I.M. & Quality
Mit diesem letzten Vortrag schloss sich auf ideale Weise der Kreis, der mit den ersten Vorträgen am Nachmittag eröffnet wurde: Sowohl bei den PLM-Prozessen im Maschinenbau, also auch bei "Lean Production" in der Automobilbranche, als auch in BIM-Prozessen ist es nicht eine übergeordnete Instanz, die die Vorgaben für Qualitätssicherung macht, sondern es sind die Nutzer und Anwender selbst, die die Prozesse und "Systeme" ihren eigenen Anforderungen anpassen müssen.