Digitaler Bauantrag: IT-Lösungen der Bauverwaltung müssen Teamarbeit unterstützen


Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat zusammen mit dem Landkreis Nordwestmecklenburg den Online-Dienst für den digitalen Bauantrag entwickelt, die nach dem „Einer für Alle“-Prinzip sämtliche deutsche Bauämter nutzen können. Der IT-Dienstleister brain-SCC hat dafür einen innovativen Vorgangsraum entwickelt. In den kommenden Monaten rollt er die Anwendung in einer Vielzahl von Bundesländern aus. Andreas Fiedler, Projektkoordinator für den Bereich „e-Government“ bei brain-SCC, berichtet im Interview mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen, wo die Verwaltung bei der Umsetzung des digitalen Bauantrags steht.

Herr Fiedler, viele Bürger sind überzeugt, dass sich auf den meisten Ämtern bei der Digitalisierung nichts bewegt. Als IT-Dienstleister haben Sie andere Erfahrungen. Ihr Unternehmen, brain-SCC, hat den Landkreis Nordwestmecklenburg maßgeblich bei der Umsetzung des digitalen Bauantrags unterstützt und für viele andere Kommunen Verwaltungsportale entwickelt. Wie erklären Sie sich, dass viele Menschen so unzufrieden mit den online verfügbaren Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung sind?

Andreas Fiedler: Ämter, die bei ihrer Arbeit auf Telefon, Fax und Excel-Listen statt auf digitale Anwendungen setzen, sind nicht leistungsfähig genug, um Entwicklungen zu bewältigen, die sich sehr schnell abspielen – etwa die Corona-Pandemie oder derzeit die Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine. Bürger erwarten aber, dass die öffentliche Verwaltung leistungsfähig ist. Wenn Corona vorbei sein wird, werden sie das auch daran messen, ob sie wie vor der Pandemie einen Termin ausmachen und sich Urlaub nehmen müssen, um ihren Wohnsitz um- oder ein neues Auto anzumelden...

Oder einen Bauantrag einzureichen?

Andreas Fiedler: Natürlich. Das ist aber auch die Königsdisziplin der Digitalisierung der Verwaltung.

Weshalb?

Andreas Fiedler: Weil bei der Erstellung eines Bauantrags viele Menschen zusammenarbeiten – der Bauherr, der Entwurfsverfasser, das ist meist der Architekt, und die Fachplaner. Aus ihren jeweiligen Aufgaben ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an den Ablauf des Antrags- und Genehmigungsverfahrens. Diese müssen bei der Digitalisierung des Bauantrags unter einen Hut gebracht werden.

Was ist Ihrer Erfahrung nach für Bauherrn, Architekten und Planer besonders wichtig?

Andreas Fiedler: Als wir die Anwendung für den digitalen Bauantrag für den Landkreis Nordwestmecklenburg entwickelt haben, haben wir mit sehr vielen Architekten und Planern gesprochen. Denn hauptsächlich sie werden den digitalen Bauantrag nutzen. Fast jedem dieser künftigen Anwender war es wichtig, ein Tool zu bekommen, das die gleichzeitige Kollaboration aller an der Antragserstellung Beteiligten an der Bauvorlage ermöglicht und garantiert, dass sie jederzeit an der aktuellen Fassung der entsprechenden Dokumente arbeiten.

Wie haben Sie das umgesetzt?

Andreas Fiedler: In unserer Lösung können Architekt, Bauherr und Fachplaner einen Bauantrag in einem Vorgangsraum in der Cloud gemeinsam erstellen, Inhalte und Anmerkungen einfügen oder Dokumente anhängen. Schon bei der Erstellung des Antrags macht dies die Arbeit erheblich leichter. Denn der Architekt muss beispielsweise nicht mehr mit einer großen Mappe voller Zeichnungen und Dokumente zum Bauherrn und sich jedes Blatt einzeln abzeichnen lassen. Das geht nun online. Wenn der Antrag fertig ist, wird er von allen Beteiligten digital freigezeichnet und dann  nur noch online an das Bauamt geschickt.

Dort druckt ihn sich ein Beamter dann für die Weiterbearbeitung aus?

Andreas Fiedler: Nein. Sobald der Antrag bei der Bauaufsichtsbehörde eingegangen ist, kann ihn auch der dortige Sachbearbeiter in dem Vorgangsraum bearbeiten und fehlende Informationen oder Dokumente direkt online beim Antragsteller nachfordern. So spart er sich den kompletten Schriftverkehr, viele Wege zur Post, und vor allem lange Wartezeiten, bis er die fehlenden Unterlagen bekommt. Denn im besten Fall kommunizieren Bauamt, Architekt und Bauherr in dem Vorgangsraum in Echtzeit miteinander.

Da dort zudem mehrere Personen mit dem selben Dokument arbeiten können, können alle in der Verwaltung an der Prüfung und Genehmigung des Antrags beteiligten Stellen zur gleichen Zeit wie die Bauaufsichtsbehörde Einblick in die eingereichte Vorlage nehmen, ihre Stellungnahme oder Freigabe abgeben.

Am Schluss kann das Bauamt seinen Bescheid online zustellen und der Bauherr die Gebühren dafür online bezahlen. So ist der gesamte Prozess durchgängig digitalisiert und läuft erheblich schneller ab.

Wie aufwändig ist die Installation dieser Lösung für Kommunen und Landkreise und wie viel Softwareprofis brauchen diese für den Support?

Andreas Fiedler: Die Lösung können Bauämter im Rahmen eines Software-as-a-Service-Modells nutzen. Sie zahlen also eine pauschale Gebühr und können die Anwendung dann einsetzen, ohne IT-Fachkräfte einstellen und einen gewaltigen Support aufbauen zu müssen. Die Lösung, die wir für im Rahmen des OZG für das Land Mecklenburg-Vorpommern entwickelt haben, sollen nach dem Wunsch der ehemaligen wie der aktuellen Bundesregierung ja alle deutschen Kreise und Kommunen einsetzen. Sie entstand daher nach dem sogenannten „Einer-für-alle-Prinzip“. Aus diesem ergibt sich auch, dass die Anwendung zentral gepflegt und weiterentwickelt wird.

Werden denn auch alle Bundesländer die Anwendung nutzen?

Andreas Fiedler: In Mecklenburg-Vorpommern ist sie seit einem Jahr im Einsatz. Derzeit rollen wir sie auch im Saarland, in Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz aus. Auch weitere Länder wie Sachsen, Berlin und Bremen sind interessiert.


29.03.2022