Testläufe für die Zukunft: Digitale Probier- und Erlebniswerkstätten


Digital bemustern? Einen Bagger vollautomatisiert ansteuern? Einen bestimmten Bauzustand realitätsnah visualisieren und Informationen zu spezifischen Bauteilen interaktiv einsehen? Digitalisierung macht all dies schon heute möglich. Wer eine Umstellung erwägt, möchte die gewünschte Lösung in der Regel jedoch zunächst einmal ausprobieren – z.B. in unseren Probier- und Erlebniswerkstätten.

In den Probier- und Erlebniswerkstätten des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Planen und Bauen können digitale Technologien und Anwendungen konkret erprobt und getestet werden. Große und kleine Objekte und Projekte von der Maschine über das Gebäude bis zur Stadt lassen sich visualisieren – und Umbauprojekte digital so wirklichkeitsnah ausstatten, dass das Ergebnis der Realität zum Verwechseln ähnelt. Auch digitale Prozessketten werden damit auf einmal anschaulich, verständlich und greifbar. 

Das Kompetenzzentrum bildet dabei mit seinen Inhalten die gesamte Wertschöpfungskette Bau ab, von der Planung über die Bauausführung generell und unter dem Blickwinkel des Handwerks bis hin zum Gebäudebetrieb. Dabei demonstrieren in bestimmten Regionen Deutschlands eingerichtete Werkstätten bzw. zur Verfügung stehende digitale Technologien nicht nur bereits erarbeitete Lösungen. In ihnen können auch neue Praxisbeispiele digitaler Prozessketten entwickelt und erprobt werden. 

Labor für digitales Engineering: Virtuelles real erleben

Erst planen, dann bauen. Dieser Aufgabe stellt sich das Labor für digitales Engineering der Jade Hochschule in der Region Nord in der sogenannten „Mixed reality Cave“. Die Cave ist ein Raum zur Projektion einer dreidimensionalen virtuellen Realität. Um digitale Modelle zu erleben, anzupassen oder Simulationen durchzuführen, können mehrere User gleichzeitig darin interagieren. Hierfür werden unter anderem „Augmented Reality“ Brillen mit integriertem Computer, „Handheld“-Positionierungssysteme, die mit Sensoren versehen die eigene Position anzeigen genutzt. Das Labor für digitales Engineering verfügt außerdem über „Augmented Reality“-Bauhelme für den Einsatz auf der Baustelle und einen mobilen Roboter. 

„Es gibt viele Anwendungsfälle, bei denen die Demonstratoren die kleinen und mittleren Unternehmer unterstützen können. Während die „Mixed reality Cave“ eher bei den Planungsprozessen zum Einsatz kommt, können die mobilen „Augmented Reality“-Bauhelme den ausführenden Gewerken bei der Umsetzung auf der Baustelle helfen, indem Sie beispielsweise für den User einen bestimmten Bauzustand visualisieren. Des Weiteren ist es möglich, in dieser erweiterten Realität Informationen zu spezifischen Bauteilen oder Bauphasen interaktiv einzusehen“, informiert Christian Kreyenschmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Datenbankorientiertes Konstruieren an der Jade Hochschule in Oldenburg.

Im Sinne der „Mixed Reality“ lassen sich auch reale Gegenstände in die virtuelle Welt integrieren, z.B. 3D-gedruckte Modelle. Dies ermöglicht es, die Interaktion von Mensch und Maschine in komplexen Fertigungsszenarien oder auf Baustellen abzubilden. 

Automatische Maschinensteuerung im Baggerpark Walldorf 

Deutschlands größter Baumaschinenpark in Walldorf in Thüringen widmet sich dem Baustellenbetrieb im Erdbau mithilfe von modernsten Baumaschinen. Neben der Grundbedienung von Ketten- und Mobilbagger, Planierraupe und Grader wird hier auch gezeigt, dass die Baumaschinen mit einer Vielzahl von Assistenzsystemen teil- und vollautomatisiert gesteuert werden können. Die digitalen Möglichkeiten des Datenmanagements mit Baumaschinen erlauben das Planen, Überwachen und Dokumentieren von Arbeitsprozessen in Echtzeit. 

Wie aber läuft die Arbeit mit den Hightech-Maschinen ab? Welche Möglichkeiten gibt es für den Einsatz digitaler Techniken bei der Steuerung schwerer Geräte auf der Baustelle bereits? Und wie werden diese bedient? Diese und weitere Fragen werden im Baggerpark Walldorf und im „Schaufenster Baumaschinen digital“ in der Region Ost beantwortet. Denn auch eine vollautomatisierte Steuerung macht den qualifizierten Bediener nicht überflüssig, ganz im Gegenteil: Die Anforderungen an das Bedienpersonal steigen. Baumaschinenbediener müssen beispielsweise Grundlagen der Maschinenbedienung, der Bauabläufe, der Vermessung und der digitalen Kompetenzen beherrschen. Dies ist erforderlich, da die teil- und vollautomatisierten Steuerungssysteme der Baumaschinen auf hochpräzise Positionierungssysteme angewiesen sind. Um eine teil- oder vollautomatisierte GNSS (Global Navigation Satellite System) oder Laser-Maschinensteuerung einsetzen zu können, muss zudem das Soll-Geländemodell digital und georeferenziert vorliegen. Darüber hinaus muss der Bediener in der Lage sein, sich seine Referenzebene für kleinere Arbeitsaufgaben selbst zu er­stellen. Erlernen kann er alle diese Fähigkeiten in den Ausbildungshallen und auf dem Übungsgelände des 85.000 m² großen Baggerparks in Walldorf. 

„Die Zielgruppe der über 20 modernen Baumaschinen auf dem Baggerpark sind Auszubildende der Berufe Baugeräteführer, Land- und 
Baumaschinenmechatroniker und Straßenwärter, Weiterbildungsteilnehmer in den Lehrgängen Geprüfter Bagger- und Laderfahrer, Geprüfter Planierraupenfahrer, Geprüfter Graderfahrer sowie Grader-/Raupenbedienung mit automatischer Maschinensteuerung“, verrät Torsten Wachenbrunner, Verantwortlicher Mitarbeiter Weiterbildung im Bildungswerk BAU Hessen-Thüringen e.V. Aus- und Fortbildungszentrum Walldorf. Darüber hinaus gibt es Aufstiegsfortbildungslehrgänge für Vorarbeiter, Werkpoliere, geprüfte Poliere und geprüfte Baumaschinenmeister.

„Und schließlich erhalten Geschäftsleitungen, Bauleitende von kleinen und mittleren Unternehmen, Planende, Behörden und Studierende im Baumaschinenpark einen Überblick, was es gibt, wie es funktioniert, welche Techniken und Informationen zur Verfügung stehen und welche Schlüsse daraus gezogen werden können“, fährt Wachenbrunner fort. Er ist überzeugt: „Insbesondere in der automatischen Maschinensteuerung und der Telematikdaten steckt ein großes Potenzial zur Steigerung der Effektivität, zur Verbesserung der Qualität, zur Optimierung von Abläufen und vieles mehr.“

Intelligenter Baustellen-Scheduler in Kaiserslautern

Digitale Unterstützung bei der Termin- und Ressourcenplanung im Handwerk leistet der vom Fraunhofer ITWM in Zusammenarbeit mit dem eBusiness-KompetenzZentrum im Bau- und Ausbauhandwerk entwickelte intelligente Baustellen-Scheduler der Probierwerkstatt in der Region Mitte. Das als Webanwendung konzipierte interaktive Planungs- und Umplanungswerkzeug ist ein prototypischer Demonstrator, der auf einem modell- und algorithmusbasierten Scheduling basiert und Handwerksbetrieben bei der Planung ihres Baustellenalltags hilft. Und er löst damit ein Problem, dem jeder Handwerksbetrieb täglich gegenübersteht. Denn jeder von ihnen betreut in der Regel eine größere Anzahl an strukturierten Bauprojekten, die durch eine begrenzte Anzahl an unterschiedlich qualifizierten Mitarbeitern und unter Zuhilfenahme begrenzter Ressourcen innerhalb einer konkreten Zeitvorgabe bearbeitet werden. 

Auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen erstellt der Scheduler innerhalb weniger Sekunden einen aufeinander abgestimmten Ablaufplan der einzelnen Bauvorhaben, wobei durchaus auch mehrere Szenarien vom Scheduler vorgeschlagen werden können. Der Scheduler ist sozusagen ein Entscheidungsunterstützungswerkzeug für den Disponenten, wobei dieser auch manuell eingreifen und umplanen kann. „Gefüttert“ wird der Scheduler durch die mobile, digitale Zeit-, Leistungs- und Fortschrittserfassung der Mitarbeiter auf der Baustelle, so dass er auf Fortschrittsabweichungen in Echtzeit reagieren kann und rescheduled. 

„Der Scheduler kann unabhängig von der Betriebsgröße eingesetzt werden, wobei es sich derzeit noch um einen prototypischen Demonstrator handelt, der noch nicht marktreif ist und auch noch nicht käuflich erworben werden kann“, erklärt Michael Heil. „Zur Anpassung muss er grundsätzlich vor seinem Einsatz mit betriebsspezifischen Stammdaten wie Standard-Arbeitspakete und Mitarbeiterstammdaten gespeist werden“, fährt der Geschäftsführer des eBusiness-KompetenzZentrum im Bau- und Ausbauhandwerk fort. Interessierte Unternehmen der Bau- und Ausbaubranche dürfen sich bei Michael Heil melden. Derzeit sind gewerkespezifische Workshops in der Planung, um den Demonstrator benutzerorientiert weiterzuentwickeln.

Neben diesen Erlebniswerkstätten hat das Kompetenzzentrum Planen und Bauen noch eine Vielzahl anderer Probierzentren eingerichtet, in denen Planungs- und Baubeteiligte die Vorteile der Digitalisierung am Beispiel diverser Projekte kennenlernen können. In den meisten Fällen bietet die Möglichkeit der direkten Anwendung die große Chance, eine digitale Lösung für die eigene Prozesskette im kleinen und mittleren Unternehmen zu entwickeln. Bisweilen stellen sie bereits die Antwort auf die Herausforderung des eigenen Unternehmens dar. Und immer sind sie Inspirationsquellen, die in der Praxis aufzeigen, wie sich der Alltag im Bauwesen mit Hilfe der Digitalisierung erleichtern lässt.


23.05.2022