Ein Workshop zur Frage, wie sich im Bau logistische Prozesse innovativer gestalten lassen: Das war der Schwerpunkt des Workshops von Innovation Ausbau am 24. Mai 2022 in Berlin. Die Location des Workshops war ein spannender Ort, der zugleich Schnittmenge zwischen Mittelstand und digitalen Ideen als auch Keimzelle für neue digitale Lösungen ist: im Maschinenraum Berlin. Ins Leben gerufen von der Viessmann Gruppe als diesmaligem Gastgeber und neuem Vereinsmitglied von Innovation Ausbau, kommen hier große deutsche Familienunternehmen mit Start-Ups in Kontakt und geben diesen Think Tanks rund um Digitalisierung eine Wirkungsstätte und viele Freiheiten bei der Entwicklung neuer digitaler, praxisnaher Innovationen.
Ein perfektes Umfeld also für viele Gedanken und Anregungen aus den Impulsvorträgen dieses intensiven Tages.
Maschinenraum gibt die Vorzeichen
Tobias Rappers gab als Managing Director des Maschinenraum Berlin einen kleinen Einblick, wie genau dieser Co-Creating-Space funktioniert, wie digitale Ideen entstehen und was es braucht, um sie zur Marktreife und damit zur konkreten Anwendung zu bringen. Damit gab er für den Tag gleich das passende Vorzeichen: Jedes Unternehmen hat Herausforderungen – und digitale Anwendungen sowie neue Formate der Vernetzung von Unternehmen untereinander können sie lösen. Max Tscharnke von WattX aus dem Maschinenraum zeigte anschließend sehr konkret, wie ein Unternehmen eine Innovationseinheit outsourcen kann, ihm gewisse Freiheiten gibt und Innovationen entwickeln lässt, die für das Mutterunternehmen relevant werden als auch als Dienstleistung für andere Auftraggeber. Support erhalten sie unter anderem von Xpress Ventures aus dem Maschinenraum. Eine eigenständige Unit von Fiege Logistik, die sich darauf spezialisiert hat, als Teilhaber digitale Businessmodelle mit aufzubauen und sie mit dem eigenen Netzwerk zu stärken, bevor konkrete Investoren mit ins Boot kommen.
Baustellenlogistik trifft BIM
Nach diesen drei ersten Impulsen aus der dynamischen Welt der digitalen Start-ups zeigte Stefan Becker von der Würth Gruppe konkret, wie der Spezialist für Montage- und Befestigungsmaterial Baustellen logistisch effizient und komfortabel mit seinen Produkten bestückt und zugleich Müll auf Baustellen reduziert. Als Sprecher des Bundesdeutschen BIM Cluster ging Stefan Becker auch die Stärken und Chancen von BIM als Methode für die Planung und Prozessoptimierung ein. Er signalisierte auch offen: die Idee der Digitalisierung von Baustellen beispielsweise durch BIM ist gut – doch es scheitert immer noch an der Umsetzung, weil es bei den Akteuren wenig Bereitschaft für eine digitale Standardisierung gibt. Deshalb hinterfragte Stefan Becker auch offen die Bereitschaft zu Innovation und Veränderung auf der Baustelle. Zwar wisse er, dass viele Teilnehmer des Workshops ausführende Unternehmen sind und daher wenig Einfluss darauf haben, dass Baustellenprozesse digitaler werden. Dennoch postulierte er auch deutlich: „Das Handwerk muss wach werden und sich etwas überlegen!“
Helden im Aufzug und in der internationalen Logistik
Die Aufzugshelden haben sich bereits etwas überlegt: das Digital Spine – eine Plattform, die Aufzüge via Sensoren 24/7 beobachtet und dadurch Materialverschleiß oder Fehler in der Steuerung frühzeitig erkennt. Joern Vater vom Start-Up Aufzugshelden zeigte anschaulich, wie diese Lösung damit Störungen vermeiden und damit Kosten senken kann. Dass auf dem Weg zu solch einer praxisnahen digitalen Lösung auch das Scheitern stehen kann, zeigte Nora Legittimo, Chief Digital Officer der Schöck Gruppe. Sie stellte den Checker vor – eine Kalibrierungslösung für den Schalenbau als digitales Assistenzsystem aus dem Hause Schöck, deren erfolgreicher Einführung ein digitales Produkt mit Fehlern und Schwächen voranging. Heute ist Checker ein eigenes Unternehmen. Nora Legittimos Botschaft daher: Fehlerkultur schafft Innovationskultur – also keine Angst vor Fehlern auf dem Weg zu mehr Digitalisierung.
Wie innovativ ein großes Familienunternehmen agieren muss, sobald auf den Weltmärkten wegen Pandemie, Containerstaus in Shanghai und gekappten Transportwegen durch Russland eine dramatische Materialknappheit herrscht, zeigte abschließend Peter Löwer, Geschäftsführer der Viessmann Logistik International GmbH.
Abschied vom Papierprozess? Das geht nur, wenn alle wollen
Was beschäftigt die Teilnehmer des Workshops und die Mitglieder von Innovation Ausbau? Die Digitalisierung im Bauprozess beispielsweise. Auch Antworten auf die Frage, die innovatives Bauen heute und morgen aussehen kann. Wie Nachhaltigkeit zugleich zu mehr Effizienz im Bauprozess beitragen kann. Oder auch, wie sich eine Baustellenlogistik cleverer und möglichst digital besser steuern lässt.
Entsprechend lebhaft und engagiert waren die Diskussionen während und zwischen den Impulsvorträgen. Denn die Schere zwischen digitalen Visionen und mangelnder Beweglichkeit auf Baustellen oder der Einigkeit auf eine gemeinsame digitale Standardisierung ist groß. Denn die Frage war: Wie kann man die vorgestellten Projekte oder auch den innovativen Spirit dahinter in die Baubranche übertragen? Von der App-Entwicklung bis zur intime-Lieferung an der Baustelle von Material und Geräten bis zum digitalen Lieferschein – möglich wäre theoretisch vieles. Die Problematik ist allerdings: Die Player möchten bisher nicht miteinander reden. Ob Lieferant, Anlieferer oder Empfänger: es gibt keine standardisierten Lösungen und zugleich aber rechtliche Probleme, sobald es dann doch in die digitale Umsetzung kommt. Von der Bestellung bis zur Baustellenlogistik ist immer noch vieles sehr papierbasiert, gerade bei den Handwerksbetrieben. Genervt ist davon jeder – die beste Voraussetzung, hier als Verein und als Einzelner neue Impulse zu setzen.
22.06.2022