Welche Bundesministerien beschäftigen sich gegenwärtig mit der Weiterentwicklung und Verbreitung des Themas Building Information Modeling (BIM)? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um Unternehmen bei der digitalen Transformation zu unterstützen?
Derzeit existieren verschiedene Initiativen und Programme von drei Bundesministerien zu BIM und der Digitalisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft – alle arbeiten an verschiedenen Aspekten und Themen, verfolgen aber ein Ziel: das Vorantreiben der Digitalisierung des Bauwesens, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterstützt seit 2017 mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen die mittelständische Bau- und Immobilienwirtschaft bei den Herausforderungen der Digitalisierung. Zu den Angeboten und Leistungen zählen Demonstratoren für konkrete Anwendungsfälle, Präsentation und Dokumentation von Best-Practice-Beispielen, Vorträge, Schulungen und verschiedene Veranstaltungsformate wie BIM-Frühstücke für den Erfahrungsaustausch und die Vernetzung. Zuvor wurde im Rahmen des BMWi Förderprojektes „BIMiD – BIM-Referenzobjekt in Deutschland“ (2013-2017) auch der BIMiD-Leitfaden herausgegeben, der Erfahrungen und Empfehlungen für die Einführung von BIM in mittelständischen Unternehmen zusammenfasst.
Das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) hat im Jahr 2019 gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) die Gründung des Zentrums für die Digitalisierung des Bauwesens BIM Deutschland angestoßen. BIM Deutschland wird den Bund insbesondere mit der Beratung, Koordination und Qualitätssicherung seiner nationalen und internationalen BIM-Aktivitäten unterstützen. Über die Planung- und Ausführungsphase hinaus werden auch Strategien für die BIM-Nutzung in der Betriebsphase entwickelt.
Inwieweit werden die neuen Arbeits- und Planungsmethoden verpflichtend im öffentlichen Bauaufträgen eingefordert?
Hier ist zwischen öffentlichen Bauvorhaben im Tiefbau und im Hochbau zu unterscheiden.
Im Tiefbau wurde durch das BMVI im Jahre 2015 der BIM-Stufenplan initiiert, der eine stufenweise verpflichtende Verwendung der digitalen Planungsmethode ab Ende 2020 vorsieht. Dies bedeutet, dass Unternehmen im Bereich des Infrastrukturbaus das im BIM-Stufenplan definierte BIM-Leistungsniveau 1 anbieten müssen, was mit besonderen Anforderungen an die Bereiche Daten, Prozesse und Qualifikation einhergeht. So bestehen diverse Anforderungen wie beispielsweise hinsichtlich der ausschließlichen Verwendung von 3D-Plänen, der Verwendung herstellerneutraler Datenformate oder der aus den Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) abgeleiteten Informationstiefe der Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt. Planungs- und Bauprozesse müssen im BIM-Abwicklungsplan definiert sein, eine gemeinsame Datenumgebung soll dabei die Zusammenarbeit unterstützen, eine kooperative Arbeitsweise zwischen den Projektbeteiligten wird als notwendige Bedingung definiert. Nicht zuletzt müssen interessierte Bieterunternehmen BIM-Kompetenzen nachweisen, um an Ausschreibungsverfahren teilnehmen zu können. Konkrete Vorbereitungen zur Umsetzung des Stufenplans im Tiefbau werden auch im Rahmen des Projekts BIM4INFRA getroffen.
Im Hochbau steht eine Verpflichtung der BIM-Verwendung zur Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen im Hochbau zwar immer wieder in der Diskussion. Gegenwärtig besteht allerdings keine verpflichtende Verwendung von BIM im öffentlichen Hochbau. Einen Spezialfall stellen Hochbauprojekte des Bundes dar. Hier ist laut eines Erlasses aus dem Jahr 2017 ab einer Grenze von 5 Millionen Euro Baukostenvolumen die Verwendung von BIM zu prüfen. Der Bund nimmt hier eine Vorbildrolle ein, indem ein Rechtfertigungsdruck bei Nichtverwendung digitaler Methoden entsteht.
Im Beschluss des Bundestages zur Digitalisierung des Planens und Bauens vom März 2020 wird die Bundesregierung aufgerufen, die Potenziale der Digitalisierung im Bauwesen zu fördern, Normung voranzutreiben und weitere Pilotprojekte zu initiieren. Ebenfalls wird die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, inwieweit eine verpflichtende BIM-Verwendung analog zum BIM-Stufenplan im Tiefbau auf die öffentliche Hochbautätigkeit übertragbar ist.
Welche weiteren Entwicklungen existieren seitens des Gesetzgebers?
Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) aus dem Jahr 2017 werden bis zum Ende des Jahres 2022 Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen auch digital anzubieten. Im Baubereich sind hier insbesondere XPlanung und XBau relevant. Das Datenaustauschformat XPlanung unterstützt den verlustfreien Austausch von Bauleitplänen, Raumordnungsplänen und Landschaftsplänen. XBau ist der Standard für die Kommunikation zwischen den Beteiligten in bauaufsichtlichen Verfahren.
Darauf verweisend wurde kürzlich ein Forschungsprojekt zum BIM-basierten Bauantrag abgeschlossen, welches die Möglichkeiten der digitalen modellbasierten Erstellung des Bauantrags und die modellbasierte Kommunikation zwischen Antragsteller und Prüfer analysiert.
Im Rahmen der Corona-Pandemie wurde das Planungssicherstellungsgesetz verabschiedet, um die Bürgerbeteiligung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren digital anzubieten.
Wie könnte die Entwicklung weitergehen? Welche politischen Regulationen bestehen in den europäischen Nachbarstaaten?
Viele europäische Staaten setzen sich auf regulatorischer Ebene mit dem Thema BIM auseinander und haben verschiedenen Maßnahmen ergriffen, um dem Thema des digitalen Bauens Vorschub zu leisten. Die ergriffenen Maßnahmen reichen hierbei von der Initiierung von Arbeitskreisen und Implementierung von Strategien zur Verbreitung bis hin zur schon verpflichtenden Vorlage eines BIM-Modells bei öffentlichen Aufträgen ab einem definierten Gesamtvolumen.
Beispielhaft seien einige EU-Staaten genannt: Großbritannien etwa schreibt seit 2016 den Einsatz der Methode BIM für öffentliche Bauprojekte vor. In Dänemark gilt bereits seit 2012 ein verpflichtender Einsatz von BIM beim Bau öffentlicher Gebäude und Universitäten. Ähnliche Vorgaben gibt es schon länger in Schweden und Finnland, die auf den IFC-Standard setzen. In Frankreich sind bei der BIM-Umsetzung erhebliche Fortschritte erzielt worden, vor allem seit der Einführung des Umstellungsplan auf digitales Bauen (PTNB) im Jahr 2015, einem strategischen Plan zur Stärkung der Umsetzung des BIM. Polen ist noch in einem frühen Stadium der BIM-Einführung, denn die polnische Regierung hat kürzlich Instrumente eingeführt, um die BIM-Umsetzung im Bausektor zu unterstützen. Die BIM-Akzeptanz in Polen ist noch recht niedrig.
Auf supranationaler Ebene hat die Europäische Kommission die EU BIM Task Group über einen Zeitraum von zwei Jahren finanziert (2016 – 2017). Diese Arbeitsgruppe umfasst die öffentlichen Auftraggeber aus 21 EU-Mitgliedstaaten. Deren Ziel besteht in der Bündelung der einzelnen nationalen Anstrengungen in einem europäischen Netzwerk zur Unterstützung der einheitlichen Nutzung von BIM bei öffentlichen Bauvorhaben. Die EU BIM Task Group kam zuletzt im Oktober 2019 zusammen, um gemeinsames Wissen über die neuesten Entwicklungen und Initiativen zur Digitalisierung des Bauwesens in der EU auszutauschen. Präsentiert wurden die Ergebnisse nationaler Umsetzungsbemühungen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Wesentlicher Output der EU BIM Task Group ist der Fortschrittsbericht aus dem Jahr 2018, der unter anderem Auskunft über die Vorteile der Methode BIM gibt, eine „Top-Down“ Herangehensweise für die Implementierung von BIM auf nationaler Ebene empfiehlt und entsprechende Informationen und Richtlinien zur Umsetzung sowie zur gegenwärtigen Situation von Open BIM liefert.
Im Jahr 2016 hat das Europäische Institut für die Normung (CEN) drei neue BIM-Standards angenommen CEN / TC 442: IFD (ISO 12006-3:2007), IFC (ISO 16739:2013) und IDM (ISO 29481-2: 2012), die sich primär mit der Organisation von Bauwerksinformationen und den Anforderungen an den Datenaustausch befassen. Die Verwendung dieser Normen ist in Deutschland zwar nicht Pflicht, dennoch dürfen EU-Mitgliedsstaaten im Zuge dessen keine eigenen Vorgaben entwickeln, die im Konflikt mit diesen Standards stehen könnten.
12.10.2020