Für das Energetische Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst (ENaQ) in Oldenburg entsteht ein dezentrales und klimafreundliches Energiekonzept. Im Teilgebiet „Helleheide“ ein innovatives Wohnquartier realisiert, dessen Energiebedarf zum größten Teil aus lokal erzeugter Energie gedeckt werden soll. Das Umsetzungsprojekt untersucht das Nutzungspotenzial der Balkongeländer für Photovoltaik.
ZIELSETZUNG
Für das Energetische Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst (ENaQ) in Oldenburg entsteht ein dezentrales und klimafreundliches Energiekonzept. Im Teilgebiet „Helleheide“ wird bis 2024 ein innovatives Wohnquartier für 300 Bewohnende realisiert, dessen Energiebedarf zum größten Teil aus lokal erzeugter Energie gedeckt werden soll. Das Umsetzungsprojekt untersucht das Nutzungspotenzial der Balkongeländer für Photovoltaik. Mit Hilfe von Balkonkraftwerken kann jeder Mieter selber Strom produzieren, die Energiewende dadurch unterstützen und dabei noch Stromkosten einsparen. Es werden dabei Umsetzbarkeit, Ertrag und Amortisation bewertet.
AUSFÜHRUNG
Im Wohnquartier „Helleheide“ soll der Energiebedarf der Bewohnenden zum größten Teil aus lokal erzeugter Energie gedeckt werden. Erzeugende und Verbrauchende bilden dabei einen Verbund, die in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Überschüssige Energie soll in andere Energieformen umgewandelt, gespeichert oder anderen Verbrauchenden zur Verfügung gestellt werden, so dass die gewonnene Energie möglichst umfängliche Verwendung findet.
Im Umsetzungsprojekt soll das Nutzungspotenzial der Balkongeländer für Photovoltaik untersucht werden, die bisher nicht im Energiekonzept berücksichtigt worden sind. Dazu wird ein vereinfachtes 3D-Modell der Wohngebäude mittels einer Simulationssoftware untersucht, die den Grad der Energiegewinnung darstellt. Im Anschluss wird eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt.
Im ersten Schritt stellen die Architekten die 3D-Wohngebäudemodelle im IFC-Dateiformat zur Verfügung. Daraus wird ein einfaches Massenmodell abgeleitet, dass die Kubatur der Gebäude und die Orientierung umfasst. Die anschließende Simulation basiert auf einer Strahlungsanalyse (engl. Radiation Analysis), die mit der Software Rhinocerus und unter der Verwendung von Grasshopper zum Visual Skripting entsteht. Die kostenlosen Plugins Ladybug und Honeybee führen die Energieberechnungen durch. Sie bedienen sich dabei unterschiedlicher Programme, wie Radiance und Energyplus. Die Strahlungsanalyse ermittelt visuell und numerisch, welche und in welcher Höhe sich die Balkongeländer zur Gewinnung von solarer Energie eignen, so dass die Kalkulation der Leistung der Photovoltaikmodule ermöglicht wird. Weitere Faktoren für die Berechnung sind die Koeffizienzsverluste, der Wirkungsgrad der PV-Paneele und die Geometrie der Balkone für die Fläche (in m²) und Ausrichtung. Bei der Simulation wird jeder Balkon einzeln unter Berücksichtigung der Mikrolage bewertet, damit jede Wohneinheit auf Wirtschaftlichkeit überprüft werden kann. Dazu hat der Kooperationspartner OFFIS ein eigenes Programm zur Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelt. Es werden Faktoren wie Strompreise, Anschaffungskosten der Balkonkraftwerke, deren Förderung seitens der Stadt Oldenburg und Lastprofil je Balkon berücksichtigt. Zu Grunde liegend sind dabei diverse Lastprofile unterschiedlicher Nutzer (Rentner, Familie mit 1 Kind, Paar, etc.), deren Daten im 15minütigem Abstand eingespeist werden und die aus einer anderen Simulation (mittels MS Tool LoadProfileGenerater) hervorgegangen waren.
Für die Simulation wurden unterschiedliche Wetterdaten verwendet, zum einen Testreferenzjahre (TRY 2011), sowie Wetterdaten vom National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) aus den Jahren 2018 und 2020.
ERGEBNIS
Auf Grund der Tatsache, dass das Quartier „Helleheide“ als Kundenanlage geplant und an das Mittelspannungsnetz angebunden werden soll, könnte dies negative Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung haben. Laut dem regionalen Verteilnetzbetreiber EWE NETZ müssen alle Wohneinheiten, die in das Mittelspannungsnetz Strom einspeisen mit einem speziellen RLM-Zähler (Registrierte-Leistungs-Messung) ausgestattet werden. Dieser unterscheidet sich von einem herkömmlichen SLP-Zähler (Standard-Last-Profil). Der Zählerstand wird beim SLP-Zähler nur 1-mal im Jahr abgelesen und ist für Haushalte sowie kleinere Gewerbebetriebe vorgesehen. Größere Verbraucher (ab 100.000 kWh Stromverbrauch im Jahr) oder größere Einspeiseanlagen sowie Anlagen außerhalb des Niederspannungsnetzes benötigen einen RLM-Zähler. Dieser kann seinen Zählerstand alle 15 Minuten messen und an den Netzbetreiber weitersenden. Die Kosten des Messstellenbetrieb der RLM-Zähler sind allerdings deutlich höher (zwischen 300-1.000 € im Jahr). Dies ist ein Vielfaches der erhofften Einsparungen der Balkonkraftwerke von ca. 30-60 € im Jahr und würde in diesem Spezialfall das Modell Balkonkraftwerk unwirtschaftlich gestalten. Derzeit wird im Forschungsprojekt nach Möglichkeiten gesucht diese Problematik zu umgehen. Nichts desto trotz wurde das Potenzial der Energiegewinnung über Photovoltaikanlagen an Balkongeländerflächen erkannt. Von den 43 simulierten Balkonen würden sich 37 gut für ein Balkonkraftwerk eignen. Im Falle der herkömmlichen SLP-Zähler und mit Hilfe der Förderung der Stadt Oldenburg würden sich diese innerhalb von weniger als 4 Jahren amortisieren. Bei künftigen Projekten soll das Modell Balkonkraftwerk mit betrachtet werden.
Über das ENaQ
Energie von Nachbarn für Nachbarn: Unter dem Motto entwickelt das Projekt Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg (ENaQ) für das Quartier Helleheide ein klimafreundliches und zukunftsweisendes Energiekonzept. Der Energiebedarf soll zum größten Teil aus lokal erzeugter Energie gedeckt werden.
Im Rahmen des dabei entstehenden, „Energetische Nachbarschaften“ genannten Quartierskonzeptes, wird ein Verbund an Erzeuger*innen und Verbraucher*innen gebildet, die sich in räumlicher Nähe zueinander befinden. Überschüssige Energie wird in andere Energieformen umgewandelt und gespeichert oder direkt bereitgestellt. So lässt sich diese Energie von benachbarten Verbraucherinnen und Verbrauchern sofort nutzen. Das Konzept verfolgt den Gedanken „nachbarschaftlich“ erzeugte Energie auch lokal zu verbrauchen.
Das ENaQ-Projekt wird im Rahmen der Förderinitiative Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 18 Mio. Euro gefördert.